Wir haben Tiny Tina’s Wonderlands ausführlich getestet, um festzustellen, ob der Fantasy-Ausflug des Borderlands-Universums ebenso viel Spaß macht, wie seine großen Brüder. Wenn Tiny Tina zu einer Partie Bunkers & Badasses einlädt, dann ist ein abgefahrenes Abenteuer vorprogrammiert. Alle Details von Gameplay bis Story hier im Test.
Seit der Ankündigung im letzten Juni ist noch nicht einmal ein Jahr vergangen und schon ist Tiny Tina’s Wonderlands erhältlich. Damit bleiben die Entwickler von Gearbox Software ihrer Strategie treu, zwischen der Ankündigung und dem Release nicht zu viel Zeit verstreichen zu lassen, wie es sich auch bei Borderlands 3 schon bewährt hat. Dabei hat der neueste Loot-Shooter des texanischen Studios von Randy Pitchford eine recht lange Vorgeschichte, die schon fast zehn Jahre zurückreicht.
Die Grundidee des Spiels entstand bereits während der Entwicklung von Borderlands 2 und mündete dort schließlich in den viel gelobten DLC “Tiny Tinas Angriff auf die Drachenfeste”. Darin erlebte der Spieler Abenteuer aus sich von Tiny Tina, die die Borderlands-Helden in eine Partie “Bunkers and Badasses” verwickelte und damit in ein D&D-ähnliches Fantasy-Rollenspiel katapultierte. Nicht nur die Spieler, sondern auch die Entwickler hatten mit diesem Grundkonzept so viel Spaß, dass sie unbedingt ein eigenes Spiel daraus machen wollten. Tiny Tina’s Wonderlands (jetzt kaufen 53,99 € ) war geboren.
Und so kommt es, dass wir als Spieler erneut in eine von Tiny Tinas Pen&Paper-Partien verwickelt werden. Zusammen mit den beiden gestrandeten Weltraum-Abenteurern Valentine und Frette entführt uns die chaotische Spielleiterin in ihre abgedrehte Fantasy-Welt, die sogenannten Wonderlands. Eine Welt voller magischer Kreaturen, einem Diamant-Zweihorn als geliebte Königin des Reiches und dem bösen Drachenlord als allgegenwärtigen Gegenspieler. Unser Held verkörpert in dieser Welt den sogenannten Schicksalsbringer, der dazu auserkoren ist, das Böse zu besiegen. Das hört sich nach einer typischen 08/15 Fantasy-Geschichte an und das ist es im Grunde auch.
Während wir uns durch seine Skelettarmee kämpfen, vergewissert sich der Bösewicht bei uns, ob wir ihn auch wirklich abgrundtief hassen. Quelle: PC Games Allerdings ist das in diesem Fall gar nicht mal so schlimm. Seine herausragenden Stärken hat die Geschichte nämlich in der Art und Weise, wie sie erzählt wird. Die Erzählung strotzt nur so vor Anspielungen auf typische Fantasy- und Videospiel-Klischees. Regelmäßig werden bekannte Erzählstrukturen gekonnt durch den Kakao gezogen. Zum Beispiel, wenn eine auffallend liebenswürdige Figur eingeführt wird, wo jeder einen nahenden Verrat vermutet, dieses Gefühl immer weiter aufgebaut wird, nur um es am Ende doch nicht dazu kommen zu lassen. Das Spiel scheut auch nicht davor zurück, immer wieder die vierte Wand zu durchbrechen und dem Spieler direkt einen Spiegel vorzuhalten, um sich über typisches Spielerverhalten lustig zu machen.
Auch viele weitverbreitete Funktionsweisen von Rollenspielen, sei es bei Pen&Paper oder in Videospielen, bekommen ihr Fett weg. Hier ist klar der typische Humor der Borderlands-Reihe wiederzuerkennen. Fans der Hauptspiele können sich zudem auch über diverse Gastauftritte einiger bekannter Charaktere aus den Hauptspielen freuen. Natürlich von Tiny Tina in abgewandelter Form und Rollen, die man von ihnen so eher nicht erwartet hätte. Auch bei den zahlreichen Nebenquests haben die Autoren ihrer Fantasie freien Lauf gelassen und erinnerungswürdige Momente mit diversen Anspielungen geschaffen. So mussten wir zum Beispiel das Dorf der Lümpfe gegen den gefährlichen Blauwut-Virus verteidigen. Ein großer Spaß. Die Reihe bleibt sich also auch im Ableger treu und bietet jede Menge abgedrehte Gaudi. Die verschiedenen Level sind sehr abwechslungsreich gestaltet. Hier rutschen wir zum Beispiel eine Bohnenranke entlang zum nächsten Levelabschnitt. Quelle: PC Games
Die Wonderlands von Tina erstrecken sich zwar nicht über mehrere Planeten, wie die Spielwelt von Borderlands 3. Dennoch wird einiges an Abwechslung geboten. Die einzelnen, mitunter ziemlich großen Level fahren eine breite Palette an fantastischen Umgebungen auf. Sei es ein mysteriöser Pilzwald, ein von riesigen Ranken durchzogenes Gebiet oder andere ausgefallene Landschaften, die wir hier noch gar nicht vorwegnehmen wollen. In den Gebieten gibt es wie gewohnt jeder Menge zu entdecken. Wer abseits der Hauptpfade die Spielwelt erkundet, wird mit versteckten Kisten, geheimnisvollen Murmeln und interessanten Aufzeichnungen belohnt. Auch Nebenquests gilt es in den meisten Gebieten abzuschließen.
Die liebevoll gestaltete Oberwelt verbindet nicht nur die einzelnen Gebiete miteinander, sondern hat selbst auch jede Menge zum Erkunden zu bieten. Quelle: PC Games Verbunden sind die Level rollenspieltypisch durch eine Oberwelt. Diese Ebene ist optisch mit viel Liebe zum Detail gestaltet, um den Anschein zu erwecken, dass wir unsere Spielfigur auf der Tabletop-Karte bewegen, die Tina auf ihrem Tisch aufgebaut hat. Da liegen fallen gelassene Erdnussflips auf der Karte herum. Umgestürzte Getränkedosen bilden Limonadenflüsse, die sich durch die Landschaft schlängeln. Die Figur unseres Helden ist stilisiert, mit viel zu großen Kopf dargestellt und wir bewegen ihn in isometrischer Ansicht durch die Fantasy-Welt. Doch wir laufen nicht nur von einem Level zum nächsten. Auch in der Oberwelt gibt es jede Menge zu entdecken. Schreine, die mächtige Boni geben, wenn wir ihre Teile zusammensuchen. Kisten mit Gold, Lager mit Banditen, kleine Dungeons und vieles mehr. Sogar typische Zufallsbegegnungen kann es geben. Die Dungeons und Zufallsbegegnungen sind jedoch nicht viel mehr als kleine Arenakarten, auf denen es eine bestimmte Menge an Feinden zu besiegen gilt.
Es gibt auch wieder einen zentralen Hub, die Hauptstadt des Fantasy-Reichs namens Prachthuf. Hier residiert ihre Majestät Königin Arschgaul in einem prächtigen Schloss. Für den Spieler sind hier vor allem die Schmiede mit der Upgrade-Station für Tragekapazität und die Werkbank für Verzauberungen interessant. Es gibt zudem eine Taverne, wo sich am Anschlagbrett einige Aufträge entgegennehmen lassen. Dort findet der geneigte Abenteurer zudem das Bankschließfach, die Automaten für vergessene Beute und die Veränderung des eigenen Aussehens. Zwar ist die Karte von Prachthuf recht groß, allerdings ist vieles davon ungenutzter Raum. Die genannten Dienste befinden sich nur in einem gewissen Bereich der Stadt. Das kompaktere Design des Raumschiffs in Borderlands 3 funktionierte da als Hub-Level irgendwie besser. Im Charaktereditor lassen sich allerlei abgefahrene Heldenfiguren erstellen. Quelle: PC Games
Anders als in den Hauptteilen der Reihe üblich, setzt Tiny Tina’s Wonderlands nicht auf einen vorgefertigten Cast von spielbaren Charakteren. Ganz im Sinne der zugrunde liegenden Pen&Paper-Thematik erstellen wir uns zu Spielbeginn einen eigenen Helden. Diese lassen sich mit den verschiedensten Optionen nicht nur sehr individuell gestalten, es sind auch völlig abgedrehte Designs mit bunten Farben, wilden Zusammenstellungen von Körpermerkmalen und Aussehen möglich. Wichtiger als das optische Äußere ist zu Beginn jedoch die Wahl der Klasse. Sechs verschiedene Spielweisen stehen zur Auswahl, die sich kaum dem gängigen Fantasy-Schema von Krieger, Schurke und Magier unterwerfen.
Unsere Skillbäume für die Primär- und Sekundärklasse. Quelle: PC Games Mit dem Brr-Serker richtet man sich auf Nahkampfangriffe aus, der Zauberschuss spezialisiert sich auf die Verwendung von Zaubersprüchen, der Sporenhüter ist ein Fernkämpfer mit einem Pilzbegleiter. Jede Klasse verfügt über eine sogenannte Großtat. Dabei handelt es sich um eine mächtige passive Eigenschaft, die jederzeit aktiv ist. Beim Sporenhüter ist das der bereits erwähnte Pilzgefährte, der Brr-Serker hat die Fähigkeit in Raserei zu versetzen. Dazu hat jede Klasse zudem noch zwei aktive Skills. Der erste steht von Beginn an zur Verfügung, während der zweite ab einer bestimmten Stufe freigeschaltet wird. Im Kampf kann jedoch immer nur einer von beiden ausgerüstet sein.
Jede Klasse verfügt leider nur noch über einen einzigen Talentbaum, in dem durch Stufenaufstiege verdiente Skillpunkte investiert werden können. Damit ist das Skillsystem nicht mehr so vielfältig, wie es in Borderlands 3 noch der Fall war. Immerhin dürfen wir uns ab einem bestimmten Punkt im Spiel eine Sekundärklasse aussuchen, die unsere Möglichkeiten noch einmal verdoppelt. Außerdem dürfen wir erstmals selbst Attributspunkte verteilen. Beim Level-up erhalten wir neben einem Skillpunkt auch sogenannte Heldenpunkte, mit denen wir Werte wie Stärke, Intelligenz und Geschicklichkeit erhöhen. Ein wenig wirken die Entwickler dem Mangel an freischaltbaren Skills auch durch das Zaubersystem entgegen. Magische Fähigkeiten werden nämlich in Form von Büchern gelootet und ausgerüstet. Es kann zwar immer nur ein Buch, und damit ein Zauberspruch, angelegt sein, aber immerhin hat man hier sehr viel Auswahl und damit entsprechende Gestaltungsoptionen.